Album Review – Nullzwo und Strom – elektrisch knisternde Luft über Neon-Leuchtreklamen

by | indieBerlin

Nullzwo sind ein Indie-Poprock-Duo, bestehend aus Dschingo Herrendienst (Gesang, Schlagzeug) und Pitti Weidenhof (Gitarre, Bass). Mit Strom erscheint diesen Sommer die neue Langspielplatte der beiden. Beim Hören derselben ergeben sich einige Assoziationen mit dem Albumtitel: man denkt an die elektrisch knisternde Luft über Neon-Leuchtreklamen, an Menschenströme in überfüllten Fußgängerzonen und, gehen wir noch weiter, an das weitgehend hilflose Treiben des Einzelnen im Strom der Zeit.

So viel interpretieren braucht man nicht. Tatsache ist aber, dass Nullzwo schon sehr nach „verloren in der Großstadt“ klingen. Die deutschen Texte erzählen von Begegnungen und vom alleine Schweben, vom Finden und wieder Loslassen, auch vom Gefühl des Unangepasstseins und des Beisichbleibenwollens. Der Ton ist dabei nüchtern, leise melancholisch, unaufgeregt.

Die Welt ist groß, die Welt ist klein

Die zwölf Lieder auf Strom sind im allgemeinen geradlinig, zielstrebig und nie ausufernd. Die Gitarrenklänge meist klar und eher ruhig, leicht schwebend, wie lose Gedanken, am Boden gehalten durch ein bestimmendes Schlagzeugspiel, das stets die Richtung vorgibt. Vor allem die zweite Video-Single “Regen” (VÖ: 24.6.) hat diesen Jam Charakter…

In der zweiten Hälfte von „Dreimal“ und in „Ungleichgewicht“ wird die sonst recht homogene Klanglandschaft aufgebrochen und einen Gang hochgeschaltet; gerade der zweitgenannte Song springt einen unerwartet mit fast sowas wie einem Metal-Riff an. Innere Unausgeglichenheit, im Alltag vernachlässigt, bahnt sich mit einigem Lärm ihren Weg nach außen, bevor das lyrische Ich der „Strom“-Welt in „Von früh bis spät“ bei einem einsamen Nachtspaziergang wieder zu sich findet.

Ehrlich schön

Das zarte „Anker“ klingt wie nach einer durchzechten Nacht in der Hamburger Speicherstadt zu zweit auf einem Dach zu sitzen, eine Decke über vier Knien, und beim Sonnenaufgang aufs Meer zu blicken: „Ich werd’ bei dir sein / doch du musst selbst dein Anker sein“. Ein schönes halbes Versprechen. Der letzte Streich, „Eines Tages“, bringt romantische Super-8-Kindheitserinnerungen vom ersten Besuch am Meer zu Tage; Tage, an die man sich zurückwünscht.

Jetzt klingen die letztegenannten Textideen nicht besonders neu und sind es auch nicht. Sänger Dschingo scheint uns tatsächlich manchmal aus der kleinen Welt eines Unterhaltungsromans zu erzählen, bleibt dabei aber so nonchalant, dass das Ganze nicht kippt und in manchen Momenten ehrlich anrührt.

Strom ist mir ein bisschen zu eingängig und hätte gerne noch mehr textliche Finesse haben dürfen, ist aber trotzdem ein rundes Gesamtprodukt. Hier haben zwei Beteiligte alles mit Bedacht gemacht und ein gut produziertes Album zum Träumen und Nachdenken vorgelegt.

Erste Videosingle: „So oder so“: http://youtu.be/nhUliAK06VA

 

VÖ Vinyl: 01.07.2016, VÖ Digital: 19.08.2016

www.nullzwomusik.de

Label: Hey!blau Records

Review von Bastian Geicken

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