Der junge Schweizer Liedermacher Faber im Interview

by | music interview

Der 23 Jahre alte Faber aus Zürich ist zurzeit das vielversprechendste deutschsprachige Liederschreibertalent. Sein Debut-Album „Sei ein Faber im Wind“ erhält durchweg positive bis enthusiastische Kritiken. Er ist ein eleganter Aufrührer, seine manchmal bittren Lieder mitunter wie Collagen aus Tagebuchauszügen, Zeitungsschlagzeilen und Spießbürgern im Mund umgedrehten Volksweisheiten.

Am frühen Abend des 13.08. hat der Hochflieger einen Off-Tag zwischen zwei Konzertterminen in Deutschland und steht mir für ein Telefoninterview zur Verfügung. Er ist so freimütig wie reflektiert und lässt viele meiner Fragen erst ein paar Sekunden auf sich wirken, bevor er antwortet. Die erste zielt auf seine plötzliche Popularität ab.

„Manchmal ist es wie ‘ne Überdosis“

indieberlin: Du bist mit deinem Debut-Album gerade sehr erfolgreich unterwegs. Zuletzt warst du Ende April/Anfang Mai in Berlin, hast zwei Konzerte im Columbiatheater gegeben. Jetzt, im Oktober desselben Jahres, wirst du wieder in Berlin im Huxley’s spielen, das sogar die doppelte Kapazität vom Columbiatheater hat. Hast du manchmal Momente, in denen du denkst, es geht dir gerade ein bisschen zu schnell?

Faber: Ja, schon. Es kommt drauf an, unter welchem Aspekt man das sieht. Du freust dich natürlich immer, wenn Leute kommen und die Sache gut läuft. Das kann ja in dem Sinne nie zu schnell kommen. Manchmal ist es aber ‘n bisschen wie ‘ne Überdosis Wir spielen gerade fünf, sechs Festivals am Stück und eins ist krasser als das andere und nach dem dritten kannst du einfach nicht mehr so gut staunen. Es ist aber nicht so, dass es dich dann nicht mehr berührt.

indieberlin: Es gibt ja manchmal im Leben eines Künstlers so einen Moment, an den er sich zurück erinnert und denkt: Da hat es für mich angefangen, ab da ging es aufwärts. Könntest du so einen Punkt für dich benennen?

Faber: Ja, als ich damals von Zuhause ausgezogen bin, um einfach nur Musik zu machen und damit durchgekommen bin, also auch finanziell, wo ich noch auf Hochzeiten gespielt hab – und die Leute mich dann irgendwann auch nicht mehr arbeitslos nannten. Da hatte ich dann das Gefühl, jetzt bin ich wirklich Musiker!

indieberlin: Wie lang ist das her?

Faber: Das ging direkt los, als ich mit der Schule fertig war, mit 20. Das war auch wirklich ‘n Glücksfall, weil ich diesen italienischen Liedermacherkram gemacht hab. Ich hatte da ein zweistündiges Repertoire mit italienischen Chansons. Und ich war wirklich nicht der Beste darin! Aber im Raum Zürich trotzdem scheinbar der einzige bishin. Das ist wie’n Loch! Ich versteh gar nicht, warum viele Musiker sagen, sie finden das peinlich oder so. Im Anfangsstadium, find ich, musst du das einfach machen, weil es dir was bringt, du was lernst, weil’s auch manchmal lustig ist, weil’s ‘n bisschen Geld einbringt und weil du dadurch einfach besser wirst.

„Ich find es schade, dass sich in der Popmusik die meisten textlich nicht besonders viel trauen.“

indieberlin: Du begeisterst dich ja für viele der alten Chanson-Sänger. Jacques Brel nennst du als großes Vorbild, von Georg Danzer hast du auch ein Lied gecovert. Gibt es denn zeitgenössische Liedermacher, oder Singer-Songwriter, wie man jetzt sagt, die du hörst und magst?

Faber: Ja doch, da find ich definitiv viele Sachen gut. Ich mag alles, das für mich was Frisches hat. Die deutschsprachigen Sachen, die grad so angesagt sind, Bilderbuch z.B., find ich echt richtig geil. In der Popmusik find ichs aber schade, dass sich die meisten textlich jetzt nicht besonders viel trauen. Es ist textlich ein, zwei Stufen unter Rap-Musik, wo die Leute mit der Sprache erstens gewagter und zweitens auch gerissener sind.

indieberlin: Könnte das ein Grund sein, weswegen du gerade so durchweg positive Kritiken bekommst? Du wirst ja vor allem für deine Texte gelobt. Liegt das daran, dass es da zurzeit im deutschsprachigen Raum einfach wenig gibt?

Faber: (schmunzelnd) Ich glaube, ja. Es ist nicht immer ‘ne Frage von Qualität, sondern [es kommt darauf an], wie viele andere es besser machen. Also, um der Beste zu sein, musst du manchmal noch nicht gut sein. Das ist ‘ne seltsame Sache.

indieberlin: Deine Musik wird ja kategorisiert unter diesem etwas schwammigen Begriff „Singer-Songwriter“. Bist du damit zufrieden?

Faber: Nee, zufrieden eher nicht aber mir fällt auch nichts besseres ein. Wenn jemand jetzt schreibt, wir machen Pop-Musik, dann geh ich da auch mit. Wenn einer sagt, es ist Folk, find ich das auch ok.

indieberlin: Ich find es selbst schwer zu beschreiben, mit Singer-Songwriter wohl noch am ehesten. Du bist aber ja auch mit Band unterwegs. Und eure Lieder haben so etwas wie einen Rock-Einschlag. Das ist aber nicht Rock’n’Roll, sondern es rockt mit Posaune und Bass. Wo kommt dieser Einfluss her?

Faber: Das ist schwierig zu sagen. Als wir das Album gemacht haben, haben wir viel New Wave Musik gehört. Das steckt da vielleicht mit drin. Was aber auch viel ausmacht bei uns, sind die vielen kleinen Trommeln. Wir haben nie ein ganzes Schlagzeug, auch live nicht, es klappert einfach alles so mit. Das – und die Bläser – kennt man viel von Balkan-Musik. [Das ist auch] so eine dramatische und oft todtraurige Musik. Ich glaub, da haben wir uns schon viel abgeguckt.

„Ich kann zwei Stunden oder sechs Monate an einem Lied sitzen und ich höre im Ergebnis keinen Unterschied.“

indieberlin: Wann hast du begonnen, zu singen, Gitarre zu spielen und eigene Texte zu schreiben?

Faber: Ich hab früher eigentlich Bass gespielt. Ich war Bassist in einer Band. Angefangen haben wir, da war ich 15. Da hab ich dann auch begonnen, zu singen und direkt auch selbst zu schreiben, in Kombination. Ich hab eigentlich auch deshalb viel geschrieben, weil ich mehr singen wollte. Denn die Regel war, dass der, der schreibt, auch singen durfte.

indieberlin: Wenn du ein Lied schreibst, kommt dann zuerst der Text, dann die Musik?

Faber: Nee, nicht unbedingt. Am besten ist es, wenn es zusammen kommt. Aber das funktioniert nicht immer. Es gibt immer die zwei Möglichkeiten, entweder ich dreh und wende und ändere ein Lied und hab immer wieder neue Ideen, wie es werden soll und dann dauert es am Ende sechs Monate, bis es mal fertig ist. Oder es geht zack-zack. Es gibt wirklich beides. Ich kann zwei Stunden oder sechs Monate dran sitzen und ich höre im Ergebnis keinen Unterschied. Es ist schon ‘n bisschen deprimierend, eigentlich.

indieberlin: Gibt es auf dem Album einen Song, an dem du wirklich mehrere Monate gearbeitet hast?

Faber: Ja, ein paar, eigentlich. Bei „Es könnte schöner sein“ hab ich ewig gebraucht, bis die paar Zeilen zusammen waren. Und bei „In Paris brennen Autos“ hab ich auch lange rumprobiert. Ich weiß nicht, ob es sich lohnt, weil ich hör wirklich keinen Unterschied. Für „Sei ein Faber im Wind“ hab ich ca. eine Stunde gebraucht. Und die beiden anderen Lieder sind jetzt nicht besser oder textlich irgendwie ausgefuchster oder so. Manchmal hat man einfach Glück.

„Wir sind halt sehr gut darin, uns aus Sachen rauszuhalten.“

indieberlin: Du sprichst in deinen Texten, mal zwischen den Zeilen, mal recht offensiv, schon viele gesellschaftliche Missstände an. Gibt es zurzeit etwas, das du an der Schweizer Politik oder an der Schweizer Lebensart besonders kritisierst, etwas, das gerade in dieser Zeit besonders akut ist?

Faber: Naja, wir sind halt sehr gut darin, uns aus Sachen rauszuhalten und wir haben ein ganz anderes Recht für Personen als für Kapital. Also Leute wie Gaddafi, die man politisch schon lange abgeschossen hat, können bei uns noch lange Kredit bekommen, das ist kein Problem. Geld ist immer noch das Höchste, da hat man andere Regeln.

Es gibt auch so krasse Steuerlöcher aber man macht nichts dagegen mit der Entschuldigung, dass sonst die Unternehmen wegziehen würden. Natürlich sind Steuern ‘ne wichtige Sache für’n großes Unternehmen aber die ziehen doch auch nicht nur den Steuern nach! Die Schweiz ist auch sonst ‘n guter Standort. Ich glaub, man muss da nicht so große Angst haben.

indieberlin: Damit hast du einen Teil meiner nächsten und letzten Frage schon vorweg genommen. Die Schweiz ist innerhalb Europas ein besonderes Land. Sie liegt mitten in Europa aber nicht Teil der EU und kocht doch lieber gern ihr eigenes Süppchen. Würdest du dir wünschen, dass die Schweiz ihren Inselstatus wenigstens teilweise aufgeben und in Europa mehr Politik machen würde – dazu könnte zum Beispiel gehören, sich mehr für in Europa angekommene Flüchtlinge verantwortlich zu fühlen – oder muss man akzeptieren, dass die Schweiz einen Schritt in diese Richtung einfach nie machen wird?

Faber: Natürlich bin ich da für eine Öffnung. Es herrscht [bei uns] immer noch der Gedanke, dass man sich vor allem schützen, dass man sich [das Jetzige] bewahren kann. Wir sind überhaupt ein wenig zukunftsorientiertes Land. Es ist ganz seltsam. Ich glaub aber, die Grenzen, wie wir sie jetzt noch ziehen, sind bald nicht mehr so wichtig. Wer weiß schon, was sich in den nächsten zehn Jahren alles ändern wird? Ich kann da keine Prognose für die Schweiz abgeben aber die Sachen machen einfach nicht vor uns Halt.

Interview: Bastian Geiken
Photo: Stefan Braunbarth

Hear the latest Moa McKay Single Heartbreak Billie