Album-Kritik: Olli Banjo – “Großstadtdschungel”

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Oliver Olusegun Otubanjo, geboren in Heidelberg, aufgewachsen in Aschaffenburg, ist seit nunmehr 15 Jahren fester Bestandteil der deutschen Hip Hop Szene. Als Olli Banjo hat er bislang sechs Studioalben und mehrere Mixtapes veröffentlicht und musikalisch wie reimtechnisch immer wieder Neues ausprobiert. 2015 veröffentlichte er zuletzt gar unter dem Pseudonym Wunderkynd ein Rock-Album, eine Symbiose aus Beats und Rockgitarren, aus Sprech- und „wirklichem“ Gesang. Nach diesem wenig massentauglichen Crossover-Projekt begibt sich Banjo nun zurück in sein Métier und veröffentlicht am 28.07. mit „Großstadtdschungel“ wieder ein überzeugendes Rap-Album mit allerhand aktuellem Bezug.

Kein zweites „Stadtaffe“

Und in der gleichnamigen ersten Video-Single wird gleich deutlich: Banjo hat nach wie vor einen virtuosen und eigenständigen Flow, der Rap-Fans das Herz erfreut. Bei der Geschwindigkeit, mit der hier die auch mal skurillen Bilder geliefert werden, kann man auch nach mehrmaligem Hören noch Zeilen für sich entdecken, die vormals an einem vorbei gingen.

Das wilde Großstadtleben wird hier mit zahlreichen Metaphern einem Dschungel gleichsetzt. Da stellt man vielleicht unwillkürlich eine Verbindung zu Peter Fox her, der auf seinem erfolgreichen „Stadtaffe“-Album viele ähnliche Vergleiche brachte. Banjos Sicht auf den Großstadtschungel ist aber um einiges rauer. Außerdem ist der Album-Titel nicht programmatisch. In den folgenden 15 Liedern wird noch ganz anderes thematisiert.

Olli Banjo Großstadtdschungel Album CoverDie Welt hat einen tiefen Riss

Rechtsruck in Europa und Amerika, Flüchtlingskrise, Rassismus, Wirtschafts-krieg, es brodelt zur Zeit an allen Enden. Und Banjo, der auch in früheren Veröffentlichungen um seine polititsche Meinung nie verlegen war, holt angesichts des Dauerkrisenzustands zum Rundumschlag aus.

Auf „Skinhead“ widmet er sich den gutbürgerlichen neuen Rechten, die nach dem Ankommen von 1 Millionen Flüchtlingen in einem der reichsten Länder Europas um ihren Wohlstand und ihre Identität bangen. Wie, fragt Banjo, fühlen sich wohl Menschen, die aus ihrem Land vor Krieg und Verfolgung flüchten und sich in Deutschland in einem Flüchtlingsheim wiederfinden, vor dem dann besorgte Bürger mit Fackeln stehen und „Wir sind das Volk!“ brüllen?

„Wir sind das Volk“, so heißt auch ein weiterer Song auf dem Album, auf dem Banjo in seinem letzten Part beeindruckend die globalen rassistischen Tendenzen zusammenfasst und dabei sehr konkret wird: „[Wir überweisen] 3 Milliarden nach Ankara, weil sie dort schönere Lager haben“ oder: „Schau nach Ami-Land, wie man da Wahlkampf macht / Donalds Trumps Großvater fackelte damals Indianer ab“.

Aus der Wohlfühlzone ins Gefahrengebiet

Die Welt kann man nicht vom Sofa aus ändern, heißt es sinngemäß in „Rosa Panzer“. Walfang vor der japanischen Küste, Ausbeutung beim Anbau von „unserem“ Starbucks-Kaffee, Waffenhandel, der verblendete Kreuzzug der ISIS, über all das kann sich jedes Kind binnen 5 Minuten im Internet informieren. Was fehlt, ist Aktion!

Und zu der gehen Banjo und sein Kollege Vega in „Robin Hood“ dann auch über, indem sie nicht nur Banken überfallen und es „über der Stadt Scheine regnen lassen“, sondern auch gleich die Politik kapern. Wunschphantasie, ja. Aber auch: Agressionsbewältigung zweier wirklich besorgter Bürger.

Press Photo German rapper Olli Banjo (Katja Kuhl)Übertreibung mit wahrem Kern

Aber auch persönliche, anrührende und heitere Momente hat das Album. Sehr amüsant ist zum einen „Bruce Willis“, ein ironischer Abgesang auf die nur scheinbare Coolheit biertrinkender Unterhemden-Prolls, und zum anderen Ollis Ode an Hunter S. Thompson, „Eidechsen-Blues“, in der der Rapper in der Wüste Nevadas auf einem Extasy- und Mescalintrip mit einer Eidechse über die wichtigen Dinge des Lebens diskutiert.

Auf den Exzess folgt alsbald die Reue. Im Gospel-beschwingten „Böser Junge“ schmeißt sich Banjo auf die Knie und bittet den „Lord“ um Vergebung für seine Willenlosigkeit gegenüber dem schönen Geschlecht. Wenn im Text auch vielleicht etwas augenzwinkernde Übertreibung steckt, stellt er doch auch ganz ernsthaft gesellschaftliche Konventionen in Frage: wie viel oder wie wenig Selbstkontrolle ist gut? Und wer lebt es uns richtig vor?

Gutes Stück trotz schlechten vierten Aktes

„Großstadtdschungel“ ist in den ersten zwei Dritteln durchgängig überzeugend, dann folgt aber ein merklicher Bruch. Der Drive des Albums verliert sich leider plötzlich zwischen niedlichem Liebeslied („Mach das nochmal“), gestelzt und rein obligatorisch wirkendem Battlerap-Feature („Pass ma gut zu“ mit Samy Deluxe) und überflüssigem Wir-werden-alle-älter Palaver inklusive Schlager-Refrain („Verdammt lang her“ mit Prinz Pi).

Banjo war, wie eingangs erwähnt, immer schon experimentierfreudig und macht, worauf er Lust hat. Hier driften die Songs für mich aber wirklich zu weit auseinander und vermasseln das persönliche Ende des Albums. Sei’s drum. Gutes Stück trotz schlechten vierten Aktes; ein abwechslungsreiches, unterhaltsames und brandaktuelles Rap-Album. Vor allem die politischen Songs zeigen, wie relevant Rap sein kann, wenn er will. Mehr davon!

Review: Bastian Geiken
Pressefotos: Robert Maschke, Katja Kuhl

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