indieBerlin geht zum Dour Festival

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Gerade einmal zwei Stunden mit dem Auto hat es von Dour gedauert, bis wir hier gelandet sind.

In der Nรคhe von Boulogne, an der franzรถsischen Westkรผste. Neben einem alten Militรคrgelรคnde mitten im Nirgendwo haben wir unser Zelt aufgeschlagen. Mรถwen ziehen ihre Bahnen รผber dem Atlantik und frische Meerluft weht uns um die Ohren โ€“ ein willkommener Tapetenwechsel nach dem aufreibend-verrรผckten Dour-Spektakel vergangene Woche. Ein 5-Tages-Festival ist kein Kinderspiel, darauf waren wir im Vorfeld schon eingestellt. Doch das Dour sollte unsere Erwartungen um Vielfaches รผbertreffen.

Doch von vorn

Mittwochs kam das Festival ins Rollen. Die ersten Konzerte waren etwas spรคter angesetzt, als an den Tagen darauf, also gab es genรผgend Zeit in Ruhe anzukommen und sich ein gemรผtliches Schlafplรคtzchen herzurichten. Autos waren auf dem Campingplatz leider nicht erlaubt, also musste Zelt und Co. erst einmal vom nahegelegenen Parkplatz angeschleppt werden. Eine Stunde spรคter lag alles an Ort und Stelle, der Abend war schon angebrochen und die ersten Konzerte standen kurz bevor. Also nichts wie los. Dour Festival with indieberlin

Der ein Dosenbier weite FuรŸweg zu den Bรผhnen fรผhrte durch recht strenge Sicherheitskontrollen, die sogar Personen-Scanner, wie man sie von Flughรคfen kennt, gebrauchten. Bauchtaschen und andere potenzielle Drogenverstecke wurden vom Security-Personal feinst sรคuberlich durchstรถbert, das auf dem gesamten Gelรคnde zu jeder Tageszeit ziemlich prรคsent wirkte.

Trotzdem sprang eine lichte Crowd zu den traplastigen Beats umher und rappte fleiรŸig die Texte mit, die sich bei Lil Xan auf seinen ausgedehnten Drogenkonsum beschrรคnken.

Als wir das Boombox-Zelt erreichten, stand Lil Xan bereits auf der Bรผhne. Der amerikanische Cloudrapper hatte sich mit belgischer FuรŸballkutte in Schale geworfen โ€“ wohl kaum ein Trost fรผr die belgischen Fans, die am Vortag die Niederlage gegen Frankreich im WM-Halbfinale mit ansehen mussten. Trotzdem sprang eine lichte Crowd zu den traplastigen Beats umher und rappte fleiรŸig die Texte mit, die sich bei Lil Xan auf seinen ausgedehnten Drogenkonsum beschrรคnken. Uns lieรŸ das alles, gekoppelt mit dem leicht-matschigen Sound ein wenig enttรคuscht zurรผck, Jon Hopkins steigerte unsere Laune aber kurz danach wieder mit seinem sanft-progressiven Ambient-Techno, der uns auch schon Richtung Schlaf wog.

Dour festival indieberlin son luxDonnerstag ging es mittags mit Son Lux weiter. Die Band aus New York harmonierte par excellence, konnte uns aber mit ihren experimentell-elektronischen Pop-Stรผcken nicht so mitreiรŸen wie einst im ausverkauften Lido in Berlin. Aus ihrem undankbaren Slot frรผh am Konzertabend machten Ryan Lott, Rafiq Bhatia und Ian Chang aber das Beste und versammelten eine beachtliche Zuschauerzahl um sich.

Fรผr Joey Bada$$ trauten wir uns das erste Mal vor die Hauptbรผhne โ€žThe Last Arenaโ€œ

Der mit Gucci-Shirt und asiatischem Kegelhut auffallende Rapper riss uns mit seinem DJ-Backup aber nicht vom Hocker, sodass wir uns bei der Hรคlfte zu BadBadNotGood verabschiedeten. Die knappen Strecken zwischen den einzelnen Schauplรคtzen waren Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite gelang einem bei zeitlicher Kollision zweier favorisierter Acts ein flotter Wechsel, man musste sich dafรผr aber hin und wieder mit drรถhnenden Bรคssen arrangieren, die von allen Seiten herdrรถhnten und bei flรผsternder Musik, wie beispielsweise a la Nils Frahm, die Vibe zwischendurch zerstรถrten. Dour festival indieberlin badbadnotgood

Jedenfalls schafften wir es rechtzeitig zu den kanadischen Jazz-Virtuosen BadBadNotGood und das lohnte sich auch. Die Band begeisterte uns mit ihren รคuรŸert tanzbaren Instrumentals, die zwischen Genres wie Funk, Hip-Hop und Rock umherschwebten ohne aber ihren Jazz-Ursprung zu verraten – fรผr mich die Entdeckung des Festivals! Nach kurzer Stรคrkung an einem der zahlreichen, leider etwas รผberteuerten Essensstรคnden und einer Erfrischung mit einem dafรผr aber fairpreisigen Bier, wagten wir uns zu Noisia, einem Dubstep-Giganten, der uns seine sรคgenden und beiรŸenden Klรคnge an der Elektropedia-Stage um die Ohren jagte. Ein Elektro-Tempel, der schon von weitem optisch und akustisch zu erkennen war und viele Besucher anlockte.

 

indieberlin at Dour FestivalProtoje & the Indiggnation leitete bei Sonnenuntergang mit ihren smoothen Reggae-Trรคumereien unseren Freitag ein

Das war herrlich und so tiefenentspannend, dass wir danach erst einmal vor der Bรผhne sitzen blieben, um ganz unverhofft auf Soulwax zu stoรŸen. Mit ihren simplen, druckvollen Beats und kontrastreichen Synthesizer-Sounds, die viele wohl mit den 80s assoziieren, flashten die Belgier uns so sehr, dass Mura Masa danach in ihrem Schatten stehend, wenig Euphorie in uns auslรถste, obwohl er sich viel Mรผhe bei seiner Performance gab, indem er vor allem perkussive Elemente seiner Tracks selbst zu dem restlichen Playback einspielte.

 

Am Samstag war die Hรถlle los. Ein bisschen apokalyptisch wirkte das von Windrรคdern umstellte, riesige Feld zwischen den Bรผhnen, รผber das sich gewaltige Menschenmassen schlรคngelten. Dabei wurde der staubige Untergrund so aufgewirbelt, dass man es kaum ohne Mundschutz aushielt, doch dies hinderte uns nicht daran, Alt-J, eine unserer Lieblingsbands, zu genieรŸen. Im Anschluss spielte Paul Kalkbrenner ein 90-minรผtiges Set seiner sehr repetitiven House-Musik, die zu spรคter Stunde noch viele Tanzwillige anzog.

Bei vier Toren gegen Kroatien flog eine Menge Bier in die Luft und die Marseillaise wurde nicht nur einmal angestimmt.

 

indieberlin at Dour Festival

Der Sonntag stand im Zeichen des WM-Finalspiels, das die heimischen Belgier ja leider so knapp verpasst hatten. Doch zum Glรผck waren auch genรผgend Franzosen aus der Nachbarschaft angereist, um fรผr ihre Nation beim Public Viewing am Nachmittag mit zu fiebern. Bei vier Toren gegen Kroatien flog eine Menge Bier in die Luft und die Marseillaise wurde nicht nur einmal angestimmt.

Im Nachhinein betrachtet hat uns die Atmosphรคre auf dem Dour-Festival ziemlich eingeschรผchtert. Vor allem am Sonntag, dem meistbesuchten Tag, waren es nach unserem Ermessen nach zu viele Menschen auf zu engem Raum. Mit der verstaubten Luft und dem mit Plastikbechern รผbersรคten Boden, ist es uns oft schwer gefallen, alles zu vergessen und sich auf die Musik einzulassen und abzuschalten.

Unserer Meinung nach steckt die Magie eines Festivals im Detail, in den vielen liebevoll-erschaffenen Orten, die ein entspanntes Klima erzeugen und eine super Gelegenheit bieten, andere Musikliebhaber kennen zu lernen und mit ihnen zu feiern. So beeindruckend das Line-Up in Dour auch sein mochte, so vielseitig die musikalischen Stilrichtungen – die Dimension ist zu hoch angesetzt und zwingt die Organisation zu Abstrichen in puncto Gemรผtlichkeit.

Nichts desto trotz hatten wir schรถne Begegnungen bei feinen Konzerten in einem sicheren Umfeld mit freundlichem Personal und insgesamt natรผrlich eine gute Zeit. Lasst euch also nicht von unserer Einschรคtzung abschrecken, SpaรŸ hat man auf dem Dour-Festival auf jeden Fall.

indieberlin at Dour Festival

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