Was kann der Westen tun, um der Ukraine zu helfen? Sie kann damit beginnen, Putins Informationsstrategie entgegenzuwirken

von | Alles andere, conscience, Politik

William Partlett, Die Universitรคt von Melbourne

Angesichts des Krieges gegen die Ukraine stellt sich eine zentrale Frage: Was kann der Westen tun, um der Ukraine zu helfen?

Sanktionen und begrenzte Militรคrhilfe werden helfen. Eine andere Strategie ist jedoch von entscheidender Bedeutung: die Rechtfertigung des russischen Prรคsidenten Wladimir Putin fรผr den Krieg zu entkrรคften.

Wenn wir Putins Informationsstrategie widerlegen, schwรคchen wir seine Position in einem wahrscheinlich langwierigen Konflikt.

Dazu mรผssen wir zunรคchst verstehen, was seine Informationsstrategie ist.

Putins Informationsstrategie

In einer fast einstรผndigen Rede an das russische Volk, die am 21. Februar verรถffentlicht wurde, legte Putin seine Argumente fรผr eine Invasion dar. Diese Rede wurde von Beobachtern als „wรผtend“ und „ausschweifend“ beschrieben, aber sie war in hohem MaรŸe geskriptet.

Sie enthielt zwei Hauptargumente, die in den kommenden Wochen und Monaten immer wieder in russischen Nachrichten auftauchen werden.

Eine davon ist in erster Linie auf die russische Bevรถlkerung ausgerichtet. Der andere richtet sich sowohl an ein nationales als auch an ein internationales Publikum.

Das innenpolitische Spielfeld: Russland als Opfer der ukrainischen Neonazis

Der erste Teil von Putins Argumentation umriss eine einseitige Darstellung der ukrainischen Geschichte, die genau darauf abzielte, die Emotionen eines einheimischen Publikums anzusprechen, indem die angebliche Opferrolle Russlands gegenรผber der Ukraine dargestellt wurde.

Die Erzรคhlung beginnt mit einer phantastischen Version der Geschichte, in der behauptet wird, die Ukraine sei „vollstรคndig von Russland geschaffen worden, genauer gesagt, vom bolschewistischen, kommunistischen Russland“.

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Dann wandte er sich dem Gedanken zu, dass die Ukraine nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion „nie stabile Traditionen echter Staatlichkeit hatte“.

Die „prowestliche zivilisatorische Entscheidung“ der Ukraine, so Putin, habe dann unweigerlich zu einer Reihe von Katastrophen gefรผhrt: endemische Korruption, eine vom „Westen unterstรผtzte“ Machtรผbernahme durch Neonazis im Jahr 2014 und systematische Diskriminierung russischsprachiger Menschen (einschlieรŸlich eines geplanten Vรถlkermords).

AbschlieรŸend behauptet er, dass die Ukraine bald รผber Massenvernichtungswaffen (einschlieรŸlich Atomwaffen) verfรผgen kรถnnte.

Wie kann man diesem Narrativ begegnen?

Diese einseitige, neoimperiale Geschichtsinterpretation ist ein Hirngespinst, das fรผr einen ehemaligen mittleren KGB-Offizier wie Putin, der das demรผtigende Ende eines Imperiums 1991 am eigenen Leib erfahren hat und nun im Kreml sitzt, eine groรŸe emotionale Anziehungskraft hat.

Putin fรผhlt sich wie ein Vertreter der Geschichte, der Russland nach der schrecklichen Demรผtigung der 1990er Jahre wieder aufbaut.

Foto von Loris via Unsplash

Aber was ist mit den 140 Millionen russischen Bรผrgern? Wie kann die Rache an dieser historischen Fantasie ihnen helfen, mit den steigenden Preisen, der sinkenden Wirtschaft und der wachsenden Korruption in ihrem Land fertig zu werden? Welche Zukunft bietet Putins Rachekrieg den kommenden Generationen tatsรคchlich?

Alexej Nawalny, der inhaftierte Oppositionsfรผhrer, hat dies gut ausgedrรผckt.

Er verglich Putins Argumente mit den Schimpftiraden Ihres betrunkenen GroรŸvaters bei einem Familientreffen – mit dem Unterschied, dass Ihr GroรŸvater in diesem Fall „die Macht in einem Land mit Atomwaffen hat“.

Russland verfรผge รผber alle Instrumente fรผr eine starke wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung „im 21. Jahrhundert, vom ร–l bis hin zu gebildeten Bรผrgern“, so Navalny. Diese werden jedoch auf der Grundlage von „Krieg, Schmutz, Lรผgen und dem Palast mit den goldenen Adlern in Gelendschik“ (eine Anspielung auf Putins angeblichen Palast, der in einem berรผchtigten YouTube-Video zu sehen ist) weggeworfen.

Der breitere Ansatz: Russland als Opfer des Westens

Der zweite Teil von Putins Rede enthielt geopolitische Argumente gegen die rรผcksichtslose Expansion der NATO und der Vereinigten Staaten in Russlands Einflussbereich.

Dabei war von einem „von den USA errichteten maritimen Operationszentrum in Otschakow“ die Rede, und es wurde gewarnt, dass es nur sieben bis acht Minuten dauern wรผrde, bis US-amerikanische ballistische Raketen Moskau von Charkiw in der Ukraine aus erreichen wรผrden.

Er schloss mit dem Argument, dass die USA immer versuchen werden, Russland zu zerstรผckeln und zu schwรคchen, weil „sie ein groรŸes und unabhรคngiges Land wie Russland einfach nicht brauchen“.

Diese Art von Argumenten richtet sich sowohl an ein nationales als auch an ein internationales Publikum. Vieles davon kรถnnte sogar auf Peking abzielen, das die USA in รคhnlicher Weise sieht.

Auch in den westlichen Medien und in der akademischen Welt wurde dieses Thema bereits diskutiert. Selbst prominente US-Wissenschaftler wie John Mearsheimer vertreten seit Jahren eine Version dieses Arguments. Diese akademischen Argumente gehen nicht so weit wie die von Putin, und sicherlich mรถchten die USA Russlands Macht eindรคmmen, aber solche Argumente kรถnnen als Rechtfertigung fรผr einen Krieg in der Ukraine missverstanden werden.

Um diesen Argumenten zu begegnen, muss man klar zwischen Erklรคrung und Rechtfertigung unterscheiden.

Eine Erklรคrung ist ein Argument dafรผr, warum etwas eine bestimmte Reaktion hervorruft; dabei spielt es keine Rolle, ob die Reaktion gut oder schlecht ist. Im Gegensatz dazu ist eine Rechtfertigung eine Behauptung darรผber, warum eine bestimmte Antwort die richtige ist. Der Westen muss Putins Rechtfertigung entkrรคften und aufzeigen, warum es die falsche Entscheidung war.

Im ukrainischen Kontext bedeutet dies, dass man sich darรผber im Klaren sein muss, dass die Osterweiterung der NATO zwar erklรคren mag, warum Putin einen umfassenden Krieg befohlen hat, dass sie ihn aber nicht rechtfertigt.

Tatsรคchlich ist ein Krieg gegen die Ukraine die falsche Antwort auf die NATO-Erweiterung, da er wahrscheinlich die Ausdehnung der NATO in Richtung der russischen Grenzen fรถrdern wird.

Wir sehen dies bereits an der wachsenden Unterstรผtzung fรผr die NATO-Mitgliedschaft in Finnland.

Putins Informationsstrategie entgegentreten

Um der Informationsstrategie Putins etwas entgegenzusetzen, bedarf es daher zweier zentraler Argumente.

Erstens bedeutet dies, darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um einen russischen Krieg gegen die Ukraine handelt. Es ist ein Krieg der Wahl, der ganz und gar einer zunehmend abgehobenen Clique von Fรผhrern unter der Fรผhrung Putins zuzuschreiben ist, die wenig Interesse an der Lรถsung der Alltagsprobleme von Millionen von Russen haben.

Die Proteste in vielen Stรคdten Russlands – รคuรŸerst mutig angesichts des Wissens um die Brutalitรคt der Polizei – legen nahe, dass viele Russen dies bereits glauben.

Zweitens: Ein erfolgreiches Gegensteuern gegen Putins Informationsstrategie zeigt, dass eine umfassende Invasion in der Ukraine die Sicherheitslage Russlands nur verschlechtern wรผrde. Dieser Krieg der Wahl wird Russland nur von seinen Verbรผndeten isolieren und die weitere Ausdehnung der NATO an seinen Grenzen fรถrdern. The Conversation

William Partlett, AuรŸerordentlicher Professor, Die Universitรคt von Melbourne

Dieser Artikel wurde von The Conversation unter einer Creative-Commons-Lizenz neu verรถffentlicht. Lesen Sie den Originalartikel.

Bild einer Demonstration in Paris gegen die russische Invasion in der Ukraine im Februar 2022 von Koshu Kunii via Unsplash

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