Lesung zum 8. März bei Literatur:Berlin

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Am Mittwoch war Weltfrauentag, International Women’s Day. Und im Rahmen des Festivals Literatur:Berlin hat der Georg Büchner Buchladen in Prenzlauer Berg zur Lesung von Beatrix Langner eingeladen. Das neue Buch der Literaturkritikerin heißt „Die 7 größten Irrtümer über Frauen, die denken“.

Ich war zwei Tage zuvor noch im völlig überfüllten taz-Cafe zum Frauentags-Gespräch mit Laurie Penny, bei dem es um den Women’s March und um Gegenwart und Zukunft des Feminismus ging. Frau Langners Buch arbeitet stattdessen die Vergangenheit auf, geht zurück bis zu Sappho und gleitet mit eloquenter, bissiger Schreibe elegant durch die Jahrhunderte, um aufzuzeigen, wie Frauen immer wieder in den Hintergrund gedrängt und an so vielem gehindert wurden, ob durch Gesetze, Verbote, Medizin oder Philosophie. Intellektueller Sexismus eben. Da vergleicht zum Beispiel der gute alte Oswald Spengler („Untergang des Abendlandes“, gerade wieder sehr aktuelles Thema bei den Rechten) die Frau mit einer Pflanze, den Mann aber mit einem Tier. Klare Sache, die eine ist passiv, bringt Früchte und Nahrung, und sieht dabei im Idealfalle noch schön aus, der andere ist das zoon politikon, der Macher, Krieger, Akteur.
Die Frau als Göttin und Gattin
Für die Lesung hat sich die Autorin mehrere Abschnitte herausgepickt, die gemeinsam einen kleinen Abriss des frühen Feminismus und seiner Gegenrede bieten. Das war schonmal ziemlich interessant, allerdings hatt ich bisweilen das Gefühl, dass gerade ihr schnittiger Schreibstil Gefahr laufen könnte, das Ganze zwar zu einem Lesevergnügen zu machen, aber allzu glatt an Leser und Leserinn vorbei zu gleiten. Das wäre sehr schade, denn eine solche Geschichte der Unterdrückung soll ja politisieren. Vielleicht ist das aber auch nur mein persönlicher Lesegeschmack, der mit der kantigeren Eloquenz Laurie Pennys achlicht mehr anfangen kann.
Weiter kämpfen
Spannend fand ich dagegen, dass Frau Langner nach eigener Aussage erst mit der Recherche und Arbeit an diesem Buch selbst zur Feministin geworden ist, dass sie, vielleicht auch speziell als Ostdeutsche, lange Zeit dachte, Feminismus brauchen wir, braucht sie doch gar nicht. Penny sagte zwei Tage vorher in diesem Zusammenhang, dass es eine Phase zwischen den wütenden Frauen der 60er und 70er Jahre und den neuen jungen Feministinnen gab, in der Frauen tatsächlich denken konnten, dass doch alles geklärt und in Ordnung sei. Dass die Generation X (zu der die 1950 geborene Langner natürlich nicht gehört) die Früchte des vorherigen Aktivismus ernten und glauben konnte, wir seien bereits da angekommen, wo wir hinwollen. In Zeiten von Gamergate und „Grab them by the pussy“ dürfte allerdings jederfrau klar sein, dass der Kampf noch längst nicht ausgefochten ist.
Gemeinsame Geschichte
Ihr Auszug aus dem Buch endete mit einem eher kritischen Blick auf die jüngeren Spielarten der ‚Frauenbewegung‘: Femen und Sextremismus, die Rückaneignung der Sprache durch Selbstbezeichnungen wie slut, bitch, witch, sowie fragwürdigen Lifestyle-Postfeminismus, der mit beiden Louboutins fest im Kapitalismus steht. Langner nannte das 2016 erschienen Buch „Kleine Philosophie der Macht (nur für Frauen)“ als Beispiel, und mir fiel spontan Kellyanne Conways „What women really want“ ein. Von der Frau, die uns den Begriff ‚alternative Fakten‘ beschert hat, möchte ich mir lieber nciht erzählen lassen, was wir angeblich wirklich wollen. Langner sprach sich ganz klar dafür aus, dass jede Art von Feminismus politisch sein muss, für Demokratie, gegen Diktatur. Und Penny würde ganz sicher mit ihr übereinstimmen, dass er auch antikapitalistisch sein muss.
Im Anschluss an die Lesung bat Beatrix Langer dann noch zum Gespräch, und die Anmerkungen und Fragen der Zuhörer brachten weitere interessante Aspekte zur Sprache. Da hätte man noch weit länger und tiefer eintauchen können, aber so ein Abend endet natürlich auch irgendwann. Und was will die Autorin nun mit ihrem Buch? Es geht ihr nicht darum, statt der immer wieder erzählten Geschichte großer Männer nun eine alternative Geschichte der Frauen zu schreiben, sondern lediglich zu zeigen, dass diese immer wieder ausgeblendet, ins Haus verbannt, hintenangestellt wurden. Denn dann kann endlich die wahre, gemeinsame Geschichte geschrieben und erzählt werden, von beiden Geschlechtern und ihren Beiträgen zu Wissenschaft und Politik, Kunst und Kultur, und allem anderen, was uns zu Menschen macht.
I love Dick
Allzu lange blieb die Geschichte der Frauen privat, während die der Männer sich in der Öffentlichkeit abspielte. Dazu passt vielleicht auch ein anderes Buch, das ich gerade (endlich) gelesen habe: Nach 20 Jahren endlich auf Deutsch erschienen, befolgt „I love Dick“ von Chris Kraus auf unnachahmlich clevere Weise einen der Schlachtrufe der Frauenbewegung: The personal is political. Auch hier wird das Private publik gemacht, die unerwiderte Liebe ans Licht gezerrt und bis ins scheinbar peinlichste Detail seziert, analysiert, und in Kunst verwandelt – und dabei lässt sich unglaublich viel über Frauen und Männer lernen.

Es ist sicher kein Zufall, dass Langners Buch und die deutsche Übersetzung von Kraus‘ Buch beide im wunderbaren Matthes und Seitz Verlag erschienen sind.

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