Berliner Geschichten in der Kulturbrauerei

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Samstagabend, 28. März, Palais der Kulturbrauerei. Zum Abschluss des Festivals Literatur:Berlin bringt der Berliner Autorenabend fünf ganz unterschiedliche Menschen und ihre Bücher auf die Bühne. Was sie eint, ist dass sie alle über Berlin geschrieben haben, aber keiner von ihnen ursprünglich aus Berlin stammt.

Berliner Geschichten: Ladies First

Ladies first. Anne Philippi hat mit „Giraffen“ einen Roman über das heutige Berlin geschrieben, über Drogen und Rausch, Kaputtsein und Sucht, das nächtliche Leben, in einem anderen Takt als der Rest, in einer anderen Welt. Das Buch wird vom Feuilleton und von bloggenden LeserInnen gefeiert, aber mich hat der Auszug nicht packen können, weil ich das Gefühl hatte, eher Larmoyanz als verkaterte Kälte herauszuhören. Aber das liegt ja auch oft sehr nah beieinander. Auf alle Fälle bin ich durch die vorgelesene Passage neugierig geworden, wie der ganze Roman wirkt, und das soll ja auch so sein.

Bester Radiomoderator Deutschlands

Danach dann der belustigt-fassungslose Abscheu vor den asbestverseuchten Bausünden der Vergangenheit, gekonnt vorgetragen von Volker Wieprecht, angekündigt als bester Radiomoderator Deutschlands (na sowas, ich dachte immer noch, das sei der Elmar „Elmi“ Hörig meiner Kindheit und Jugend, aus längst vergangenen SWF3-Zeiten). Wieprecht beschreibt den Steglitzer Kreisel als eine der vielen Bauruinen der Stadt, aus der man kaum etwas Sinnvolles machen kann. Der bissige Schreibstil macht mich neugierig, auch dieses Buch zu lesen, das den schönen Titel „Vom Kreisel zum Kleistpark“ trägt. Auf diesem Weg ist er sicher auch durch meinen derzeitigen Heimatkiez gekommen.

Dann folgt der eindeutige Höhepunkt des Abends, Wolfgang Müller, einst Teil der Tödlichen Doris und definitiv ein Genialer Dilletant! Er zeigt einen wunderbar lakonischen „Imagefilm“ für die graue Stadt Berlin 1983 (Wow! Das war der Sommer, in dem auch ich zum ersten Mal in Berlin war. Verdammt lange her), und dann liest er ein paar Abschnitte aus seinem Buch „Subkultur Westberlin 1979 – 1989: Freizeit,“ in denen er die ersten Punkkneipen der Stadt beschreibt, die oft an Orten aufmachten, wo man sie nicht erwarten würde.

Punk in freundlicher Reinform

Zum Beispiel, schon wieder, in Steglitz. Immer wieder rückversichert er sich treuherzig, ob er denn noch in der Zeit ist. Während man als Zuhörer am liebsten kurz wirklich in jene Zeit reisen würde, die er heraufbeschwört.
Aber dann gibt es kein Halten mehr, als er seinen Teil des Abends mit dem kurzen Marketing-Song beschließt, den er für das Penismuseum in Reykjavik geschrieben hat!!! Kommt ganz niedlich daher, aber das ist doch Punk in freundlicher Reinform. Zuvor hat er einen ganz kleinen Abschnitt zu Island vorgelesen, der am allerneugierigsten macht.

Danach kann der Abend eigentlich nur abfallen. Zwar schließt das nächste Buch, Ulrich Gutmairs „Die ersten Tage von Berlin“ quasi nahtlos an Müller an, denn es handelt sich um eine Geschichte der ersten Nachwendejahre, ihrer Musik und ihrer Clubs. Allerdings wirkt der Vortrag über besetzte Häuser im Osten und die Kellerbar, von der aus der Caipirinha erst Berlin und dann ganz Deutschland eroberte, im Vergleich farblos und lau. Wieder denke ich, dass mich das Thema an sich sehr interessiert, aber der gelesene Ausschnitt kann mich nicht fesseln oder so amüsieren, wie der über Punk und Penisse zuvor. Was auch immer das über mich aussagt.

Techno war ja auch nie so meins, dazu bin ich wohl ein winziges bisschen zu früh geboren.
Der letzte Autor des Abends ist dann Michael Bienert, der ein großformatiges Buch über „Kästners Berlin“ verfasst hat. Die Zeit dreht sich also wieder zurück in die Zwanziger, Dreißiger, Vierziger Jahre.

Das Kaleidoskop der Stadt, das wunderbar bunt, aber immer auch etwas schmuddelig ist

Man kann Bienert die Freude am Recherchieren deutlich anhören, wenn er erzählt, wie er Bilder und Grundrisse gefunden hat, die zuvor kein Kästner-Biograf aufgetrieben hatte, aber ansonsten tut sich auch er ein bisschen schwer, nach den vielen bereits gehörten Fakten, Anekdoten und Geschichten des Abends noch alle Zuhörer bei der Stange zu halten.

Trotzdem, am Ende habe ich das Gefühl, einmal mehr in ein paar Berliner Geheimnisse eingeweiht worden zu sein, ins Kaleidoskop der Stadt geschaut zu haben, das wunderbar bunt, aber immer auch etwas schmuddelig ist. Aber so muss das, denke ich.

Mehr über das neue Festival und alle verpassten Lesungen auf https://literatur.berlin/

Bericht von Claudia Rapp

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