Beirut Live in Berlin – Eine indieberlin Konzert-Kritik

von | Musik-Reviews

Beiruts Bandkopf und Songschreiber Zach Condon hat sich einen festen Platz im Herzen der europäischen Musikgemeinde mit seinem 2006 erschienen ersten Album „The Gulag Orkestar“ erkämpft. Aus einem schwurbeligen Mix aus allem was der europäische Folk zu bieten hat, serviert er gekonnt stark osteuropäisch angehauchte Balkan-Latino Versatzstücke.

Den kreativen Input hierfür hat er sich bei Reisen durch Europa aus erster Hand angeeignet und stellt in den USA nun gewissermassen das musikalische Sprachrohr in die alte Welt dar. Mittlerweile hat sich die Schlagrichtung mit Beiruts neuem Album „No No No“ auch auf südamerikanische Gefilde ausgedehnt. So findet man auf der neuen Scheibe nun auch recht aufgeräumt dahergroovende Bossa Nova Nummern.

Irgendwie hatte das ältere Material immer eine gewisse Lässigkeit – wenn nicht sogar schon musikalische Angetrunkenheit – die nun etwas mehr in den Hintergrund tritt. Radiotauglicher ist das neue Material alle mal.

„Nicht die leicht angetrunkene Polkaband, die man vielleicht erwartet hat“

Auch auf der Bühne wird alles sehr adrett und bieder angezogen präsentiert. Schlagzeuger, Posaunist, Trompeter und Pianist kommen fein im Hemd angezogen daher und Kopf Zach Condon betritt die Bühne im grauen Jackett. Das ist nicht die leicht angetrunkene Polkaband, die man vielleicht erwartet hat, sondern die lieben Jungs, die man gerne direkt so wie sie sind an den sonntäglichen Kaffetisch zu den Eltern setzen kann. Eröffnet wird das Konzert mit „Scenic World“ vom ersten Album in einer latino-geprägten Version gefolgt von einem Instrumentalstück und zwei Songs vom neuen Album.

Zach Condon brilliert an der Trompete und gesanglich weiss er mit seiner charakteristischen und immer leicht knödelig melancholischen Stimme ebenfalls zu überzeugen. So oft es geht wird er gesanglich von seinen Mitmusikern unterstützt, die ausnahmslos alle auch ein Mikrofon vor sich stehen haben.

„Goethe-Institut für Musik aus dem europäischen Formenkreis“

Nach dem vierten Song, da man denkt, dass die Präsentation fast ein wenig zu glatt ist, zieht Zach Condon das Jackett aus, schnallt sich die Ukulele um und stimmt den Song „Elephant Gun“ vom Erstlingsalbum an. Das erste Mal hauen die Trompeten nach guter alter Balkanmanier gewollt etwas daneben und das Publikum freut sich sichtlich über ein endlich typisch lässig dargebotenes Ufftata-Polkastück im Dreivierteltakt. Von diesen werden noch einige weitere folgen und werden ebenso stets mit großem Klatschen beendet.

Im weiteren Verlauf sorgen ebenfalls diverse Akkordeoneinsätze und Trompetensoli dafür, dass das Publikum immer weiter auftaut. Nach einer Stunde und dem frenetisch bejubelten „Nantes“ endet die reguläre Spielzeit. Mit einem spanisch angehauchten Instrumentalstück und mit dem Einsatz von ausgedehnten Posaunen- und Trompetensoli bringen Beirut letztlich den Großteil des Publikums in Tanzlaune. Mit dem Titelstück vom ersten Album „The Gulag Orkestar“ entlassen Beirut unter dem Singsang der Band „They Call it Night / I Call it Mine“ das Publikum in die Nacht. Das fahrende Goethe-Institut für Musik aus dem europäischen Formenkreis packt seine Koffer und macht sich weiter auf den Weg durch die alten Gefilde.

Review von Christoph Grzeschik

Photos by Caterina Gili

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