Bis vor zwei Wochen waren mir The Warlocks absolut kein Begriff. – Fragezeichen? – Die Gruppe entstand 1998 in Los Angeles. Grรผndungsvater und einziges festes Bandmitglied Bobby Hecksher spielte vormals in Anton Newcombe’s heute legendรคrer Gruppe The Brian Jonestown Massacre.
Wie โBJMโ sind auch die Warlocks, wenn man unbedingt kategorisieren will, unter Neo-Psychedelic Rock einzuordnen. Gemeinsam sind beiden Bands auch die hรคufigen Personal- und Labelwechsel, die stetige Neuausrichtung und die groรe Skepsis gegenรผber der kommerziellen Musikindustrie. Die Warlocks, die nรคchstes Jahr 20-jรคhriges Bestehen feiern, sind kรผnstlerisch unabhรคngig geblieben und spielen groรartige Sets in kleinen Clubs โ wie gestern im Bi Nuu.
Dรผsterer Auftakt
Das Saallicht erlischt, von der Bรผhne aus scheint minimales rotes und blaues Licht in den Zuschauerraum hinaus, sodass von den vier Warlocks zuerst nur unbestimmte Schatten zu sehen sind. Sogleich groovt sich die Band mit zwei, drei eher melodisch-langsamen Stรผcken vom aktuellen Album โSongs from the pale eclipseโ ein.
Heckshers helle Stimme ist verblรผffend jung geblieben und auch die Texte wenigstens der ersten paar Lieder klingen passenderweise ziemlich nach hoch stilisiertem Teenie-Herzschmerz ร la The Cure. Ein zunรคchst eher schwermรผtiges Schlagzeug, ein unaufdringlicher Bass und ein schwebender, hallender Gitarrenklang bilden das dazu passende dunkle Gewand.
โSo you like the harder stuff.โ
Richtung Stimmung kommt dann aber auf, als die Band die rockigeren, รคlteren Stรผcke auspackt, allen voran das wunderbare โShake the dope outโ, in dem auch der Einfluss von Shoegaze-Bands wie The Jesus and Mary Chain auf die Warlocks zutage tritt.
Die beiden Gitarristen Hecksher und John Christian Rees sind der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Auch wenn der Rollenverteilung nach Hecksher Rhythmus- und Rees Leadgitarre spielt, gibt es immer wieder ein schรถnes Wechselspiel zwischen den beiden, Soli werden hin und her getauscht. Es kommt Bewegung in die Menge, wird nach vorn gedrรคngelt, getanzt und gesprungen. โSo you like the harder stuffโ, stellt Hecksher zufrieden fest. โOk! Note to self.โ Merk ich mir.
Da habt ihr’s!
รber frรผhere Konstellationen der Warlocks kann ich nicht urteilen, doch das jetzige Line-Up ist wirklich auรerordentlich gut aufeinander eingespielt. Mรผhelos scheinen sie Auftritte wie den heutigen zu absolvieren, in sich ruhend, cool und unprรคtentiรถs. Sie buhlen an keiner Stelle um die Aufmerksamkeit des Publikums und schenken sich fast jede Ansage. Ein bisschen Animation hรคtte das Berliner Publikum aber vielleicht gebraucht, das nach immerhin drei Vorbands um mittlerweile Mitternacht doch etwas mรผde wurde.
Feedback-Orkan
Das Ende des regulรคren Sets beendet die Band mit einem โDrone-Songโ. Bei dem jammigen Instrumental-Stรผck spielen die zwei Gitarristen lange Improvisationen รผber einen grรถรtenteils gleichbleibenden Klangteppich, was ein beinah schwindelig machendes โDrรถhnenโ auslรถst โ Gruร an Lou Reed und John Cale!
Lead-Gitarrist Rees lรถst zum Ende einen wahren Orkan aus Feedback-Gerรคuschen aus. Als letzter verlรคsst er die Bรผhne und lehnt sein Instrument so gegen den Verstรคrker, dass uns die herrliche Rock-Kakophonie noch รผber seinen Abgang erhalten bleibt. Als der Feedback-Lรคrm sich nach einer Minute zu krรคuseln beginnt, kehren die vier Musiker zurรผck und geben noch einmal zwei Songs drauf.
Notiere in dein Indie-Rockband-Handbuch unter โWโ: The Warlocks sind ein weitgehend unterschรคtztes US-amerikanisches Untergrund-Phรคnomen. Und sie rocken. Bildungslรผcke geschlossen.
Text und Bild: Bastian Geiken