Akua Naru und Band live: Pots-damn was listening!

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Um es gleich vorweg zu nehmen: was für ein herrlicher Abend! Die begnadete amerikanische Rapperin mit Wohnsitz in Köln hatte wirklich alles zu bieten: Conscious Rap für den Geist, Soul und Jazz für die Seele und Funk für den Allerwertesten. Nach einem zweistündigen Konzert plus guter Vorband ging an diesem Abend sicher jeder zufrieden nach Hause.
Wenn die Temperaturen ab 19 Uhr dann doch wieder ziemlich abfallen und uns erinnern, dass der Sommer eben noch nicht ganz eingezogen ist, herrscht an diesem ruhigen Sonntag vorm Waschhaus in Potsdam irgendwie die Stimmung der ersten Beach-Party des Jahres. Alle, die gekommen sind, sitzen im Außenbereich und genießen das Wetter.
Ich bin der erste, der sich mal gemächlich vor die Bühne begibt. Die scheint für das Equipment der immerhin siebenköpfigen deutschen Hip-Hop-Band Pecco Billo, die heute als erste auftreten, etwas zu klein geraten zu sein. In der ersten Reihe stehen Drums und Percussions, dahinter drängen sich Bass, Gitarre, Keyboard und dreiteilige Hornsection. Ich hab mich schon etwas reingehört und freu mich auf die Band.

Pecco Billo: Boom-tchak²
Sehr pünktlich um 20 Uhr kommen die Herren dann aus – und die Bühne steht tatsächlich so voll, dass keine große Bewegungsfreiheit mehr bleibt. Ist aber auch gleich. Es gibt nämlich keinen Frontmann, der mit dem Mikrofon in der Hand auf und ab laufen wollte. Gerappt wird vom Schlagzeug aus. Und gar nicht so schlecht. Smarte Reime und solche, die einen zum Schmunzeln bringen: „Ich mach euch Beine wie die Evolution.“
Der Sound ist direkt vor der Bühne ein bisschen gedrungen und einige Textpassagen bekommt man leider nur so halb mit. Mit einem quasi Bigband-Sound muss eine einzige Stimme auch erst mal konkurrieren. Genug kommt trotzdem noch an. Und was es sonst noch gibt, funky Rhythmen, gute Laune und einfach auch technisches Können, ist eh nicht zu übersehen/hören. Nach einer halben Stunde räumen Pecco Billo das Feld. Ich bin mir relativ sicher, der Großteil der Leute wäre auch noch heiß auf etwas mehr gewesen. Also alles richtig gemacht, die Herren!

„Ihr seid das letzte Instrument!“
Beim heutigen Hauptact ist der Bühnenaufbau dann etwas luftiger; die Musiker, die bei wenig Licht ihren Platz einnehmen, bilden einen zum Publikum offenen Halbkreis, sodass die Frau des Abends wie in einem Breakdance-Circle steht; mach einen Schritt vor und zeig ihnen, was du kannst! Und der Willkommensapplaus ist gleich groß, als Akura Naru vortritt: barfuß und in zerrissener schwarzer Jeans aber mit Mantel und Hut wie aus den 20ern.
Naru legt viel Kraft in ihre ausdrucksstarke tiefe Stimme und wird von ihrer ausgezeichneten fünfköpfigen Band nie übertönt. Ihre Lieder sind harter Stoff: Geschichten über Rassismus und Sexismus, Imperialismus und Ausbeutung, die einen mit durchs Tal der Trauer nehmen aber am Ende immer auf Hoffnung weisen.
Sie bringt ihre Texte mit einem Flow, der gleichzeitig energetisch und, man muss es sagen, cool ist und dem ein Rap-Fan schon acapella gern sein Ohr leihen würde. Die Weltreisende und seit einigen Jahren Wahlkölnerin ist den ganzen Abend über sehr nah beim Publikum, spricht uns immer wieder direkt an und animiert zum Klatschen und Mitsingen: „Wir machen das hier zusammen. Und ihr seid ein Teil davon. Ihr seid das letzte Instrument!“

So sexy kann Poesie sein…
Vorläufiger Höhepunkt des Abends ist das sehr intime „Poetry: How does it feel?“. Eine Slowjam-Nummer, in der Naru erotische Poesie entfaltet, im Original sieben, heute Abend sicher 14 Minuten lang, inklusive einem sexy Saxophonsolo.
Es wird sehr still, wir fallen ganz in den Bann des Liedes und singen minutenlang „Would you like – that? Tell me, would you like – that?“ wie ein Mantra. Mit geschlossenen Augen meditieren wir uns mindestens in die Nähe des kollektiven Orgasmus und sind am Ende fast zu schwach zum Klatschen – kein Scheiß!

Einmal für den Geist, einmal fürs Tanzbein
Mit einer Funk-Einlage geht es dann wieder ans Tanzen. War der erste Teil des Konzerts doch ziemlich stringent, gibt es im zweiten ausladende Instrumentalpassagen, in denen jeder Musiker seinen Solo-Moment bekommt. Vor allem der Schlagzeuger ist atemberaubend!
Nach dem regulären Set gibt es neben zwei weiteren Songs noch eine besondere Zugabe: Akua Naru kommt zu uns herunter, platziert ihren Mikrofonständer fünf Meter vor der Bühne mitten im Publikum und freestylet noch eine Runde, während alles um sie herum tanzt und klatscht und freudestrahlt. Als sie dann durch den Publikumseingang den Raum verlässt, spielt besagter begabter Schlagzeuger noch einige Minuten fort und verlässt schließlich als letzter, nach über zwei Stunden, schweißüberströmt die Bühne.
Für Akua Naru war es gleichzeitig das letzte Konzert der Tour und der erste Auftritt überhaupt in Potsdam. Sie hat also gleichzeitig am letzten Abend nochmal alles gegeben und eine neue Stadt für sich gewonnen. Mit uns war sie übrigens auch zufrieden: „Wow, you’re great! That’s why they call this city Pots-damn!“
Text und Bild: Bastian Geiken

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