Album Review: HAWK mit She Knows

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Im Post Rock Indie Sound zuhause und kombiniert mit der Stimme einer jungen Skunk Anansie stellen HAWK am 17.03. ihre neue EP vor. Längst sind HAWK kein Fremdbegriff mehr, wenn es um qualitativ hochwertigen, bewegenden Grunge made in Europe geht und beweisen ein weiteres mal mit ‘She Knows’, dass ihnen musikalische Grenzen fremd sind.

HAWK wurden bereits mit vielen Bands verglichen unter anderem mit Warpaint, Cranberrys und Radiohead. Und obwohl alles zutrifft, fasst dennoch kein einziger Vergleich die Einzigartigkeit der Band ähnlich ihrem vielseitigem Hintergrund aus London, Irland und Berlin. Nach dem Erfolg der Vorgängerplatten Clock Hands (2015) und HAWK (2016) haben HAWK an She Knows gearbeitet und eine EP hervorgebracht, die so einzigartig und berührend ist, dass es schwer sein wird Worte für sie zu finden und ihre gesamte künstlerische Bandbreite zu erfassen.

Mitreißend, erschütternd und gewaltig

She Knows beinhaltet insgesamt fünf exklusive Tracks, die HAWK von einer neuen, einer ruhigen und gleichzeitig musikalisch wie auch thematisch düsteren Seite zeigen. Das Cover der EP ist nicht grundlos gewählt. Wenn man eine Farbe für die transportierte Stimmung von She Knows wählen sollte, dann wäre es das französische Wort für Schwarz: Noir. Ebenso anmutig wie in der Aussprache lässt sich der Gesamteindruck der EP beschreiben. She Knows ist reich an Kanten, jedoch nicht anstößig oder vulgär sondern mitreißend, emotional stark und gewaltig.

Eine höchst aktuelle, wichtige Platte

Die EP beschränkt sich nicht auf transportierte Emotionalität sondern behandelt höchst aktuelle und brisante Themen wie Ungleichheit, Ausschluss, Schubladendenken, Generalisierungen und die Problematik verschiedener sozialer Gruppen. HAWK verstehen sich nicht als politische Band sondern als Freunde, die eben jene Thematiken, die ihnen wichtig sind, musikalisch herantragen und verarbeiten möchten. Genau das ist auch auf She Knows geschehen und war nicht mit Punksongs, sondern auf eine elegante, melodische und empathische Art. Im Gegensatz zum scheinbaren Jahresmotto 2017 “feel offended by everyone and everything” sind Hawk nicht laut und schrill, sondern elegant, melodisch und auf eine exquisite Art introvertiert. 

She Knows – Das Ende des Regenbogens

Eingeleitet wird die EP von einem zunächst fast ätherisch und leicht bedrohlich wirkendem Intro, welches sich musikalisch sowohl instrumental als auch stimmlich überraschend und melodisch auflöst und in einer überzeugenden, retrospektiven Livequalität deutlich mehr als ‘nur’ ein Intro darstellt, das dank dieser gelungenen Spitze einen geschmeidigen Bogen zum ersten Song Take It Away übergeht. Julies klare, helle Stimme schwemmt über die aufgewühlten Empfindungen des Hörers hinweg und streicht sanft über Seele und Ohr. Take It Away weckt bereits ganz ohne Einführung den Eindruck einer wahren Ausnahmeband, die den Grunge millenium-tauglich gemacht hat. Dabei wechseln sich Gesang und Halbakustik fließend ab, ohne den Hörer im Dunkeln zu lassen. Dunkel hingegen ist bereits der Hintergrund, der für Take Away verantwortlich gewesen war. Julie Hawk, die Sängerin und Songwriterin von HAWK, schrieb den Song als eine Reaktion auf ein schreckliches und doch leider alltägliches Erlebnis einer jungen Frau und Freundin Julies, welche abends verfolgt worden war. Als Frau “solle sie sich abends nicht alleine herumtreiben”, der Vorwurf hängt auch im Song in der Luft: Es geht nicht um den Umstand, sondern darum, dass ein falsches Bild von der Gesellschaft und hier insbesondere der Frau in der Gesellschaft vermittelt wird. Musikalisch ist Take Away bedrohlich, ängstlich und willensstark zugleich. Eine Mischung, die sich mit Static nahtlos fortsetzt.

Static kann man, wenn man möchte, fast als Ballade bezeichnen, wenngleich das Tempo der EP angenehm ausgeglichen ist und sich nahtlos in die Thematik eingliedert. Static ist dahingehend berührend, weil Julie uns direkt anspricht. Inhaltlich erscheint es lichter und heller, vergleicht man Static mit der Gewalt, die bereits im Intro eingeleitet und in Take It Away ausgeglichen wurde. Dennoch führt Static die Brisanz auf fort. Es ist nicht anklagend, es ist fragend und ein wunderschönes Mittelstück, das den Hörer von She Knows sicherlich überraschen wird, ebenso wie der Wandel und die Überleitung hin zu Mirror Maze, das sich als vorletzter Song sofort anschließt.

Julies sonnenklare Stimme durchbricht den grauen Nebel der schlafenden Gesellschaft

Mirror Maze erinnert ein bisschen an eine späte Auskopplung von The Cure und vermittelt ein sanftes, jedoch kraftvoll gesungenes und nach vorne drängendes Gefühl Musikgeschichte. Instrumental eher zurückhaltend und eingängig werden in Mirror Maze Julies Gesang und dessen sichere, klare Stimmlage unterstrichen. Mirror Maze fügt sich jedoch nicht nur musikalisch sondern auch thematisch perfekt in den inhaltlichen Verlauf von She Knows ein. Laut HAWK geht es in Mirror Maze im Gegensatz zum thematisch auf dem Individuum liegenden Schwerpunkt von Static vor allem darum, was die Gesellschaft von uns erwartet. Dabei werden diese Erwartungen und Einstellungen unter dem Gesichtspunkt einer Frau dargestellt. Es mag vielleicht komisch klingen, doch Mirror Maze wäre ein geeigneter Song für den fragenden Mann, denn es spiegelt die weibliche Perspektive in ihrer Widersprüchlichkeit und auch in der Widersprüchlichkeit der Gesellschaft einfühlsam und lebendig wider.

Ghosts stellt die Klimax der EP dar und zeigt mit seiner stimmigen, erregten Seite zum einen den Abschied und ein gelungenes Outro auf als auch textlich genau die Gewalt, die der Titel auslöst. Er ist wörtlich zu nehmen und zwar im für sich alleine stehenden als auch im Gesamtkontext der EP, wenn man diese als Kurzgeschichte und Darstellung dessen ansieht, was inhaltlich so klar und unverblümt durch die allesamt gelungenen Texte HAWKs vermittelt wird. “I know I am still alive” könnte nach dieser Talfahrt, dem Reißen an unseren Gefühlen der Leitspruch dieser über alle Maße lobenswerten, reichen EP sein. Die Botschaft von HAWK selbst ist dabei eindeutig: “We should break free from society’s standards and be comfortable in our own skin”.

Ein offenes Geheimnis der menschlichen Fragilität

Fazit: Zusammengefasst kann man sagen, dass She Knows keine einfache EP sondern ein Geschenk an den Hörer ist. HAWK haben es geschafft eine Botschaft zu vermitteln, anzuregen und dabei gleichzeitig keine Aggressivität trotz der schweren Thematik aufkommen zu lassen – sei es musikalisch oder textlich. HAWK zeigen uns mit She Knows einen unverhüllten Einblick in das tiefe, unberührte Schwarz der Seele. Es ist nicht das Schwarz des Künstlers, es ist keine Reise durch die Depression und auch nichts, dass uns als Hörer in den dunklen Sog der Trauer hinabziehen möchte oder wird. Es ist das Schwarz, das ‘Noir’, der Seele, welches jeder von uns in sich trägt. Der geheime Teil, den wir nicht gewillt sind zu teilen. Die Gründe sind vielschichtig und für jeden einzigartig. Doch es entspringt ein gutes, ein beruhigendes Gefühl es mit Musik auch sich selbst zugänglich machen zu können.

HAWK touren derzeit durch Irland und werden uns danach auch bald in ihrer Wahlheimat Berlin auf den einen oder anderen Gig willkommen heißen. Bis dahin empfehlen wir She Knows ohne Vorbehalt weiter. Eine EP wie die HAWKs sollte in keiner Sammlung fehlen, weder musikalisch noch persönlich.

 

Artikel von: Nina Zakrew

 

 

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